Bis heute ist man sich nicht sicher, von welchem Urweltbaum dieses fossile Harz aus dem Baltischen Meer herstammt. Man vermutet, dass es die Bernsteinkiefer (Pinus succinifera) sei. Was ich daran so erstaunlich finde, diese riesigen Mengen an Bernstein, und jeder heftige Sturm, gerade die Winterstürme bringen Massen an Bernstein an den baltischen Küsten hervor. Sogenannte Bernsteinfischer gab es früher sehr oft. Heute sieht man sie noch in kleinen Gruppen auf der Insel Hiddensee. Ich denke an anderen Orten der Ostseeküste bestimmt vereinzelnd auch noch.
Dieses fossile Harz findet sich auch in Braunkohlenlagern verschiedener Regionen, aber hauptsächlich wird er an der Ostsee gewonnen, wo er von den Wellen angespült wird. Unregelmässige rundliche oder flache kleinere oder grössere Stücke welche hellgelb, braungelb oder braun und durchsichtig sind.
Die Altgermanen nannten den Bernstein glesum. Was Glas oder auch Glanz heisst. In der niederdeutschen Sprache des 13. Jahrhunderts nannte man dieses Harz Börnstein (Brennstein), das dann in die niederhochdeutsche Sprache als Bernstein übernommen wurde. Bis ins 18. Jahrhundert hinein nannte man den Bernstein auch Agstein.
Durch Reiben lädt sich Bernstein auf und zieht vieles dadurch an sich. Eine der ältesten Theorien der Entstehung des Bernsteins war die, dass er durch die von der Sonne auf die Erde ausgestrahlte Hitze erzeugt wurde. Aus diesem Grund wurde er der Sonne geweiht. Bernstein ist einer der ältesten Talismane.
Der Bernstein im Volksglauben
Im Volksglauben hatte der Bernstein eine besondere Stellung. Durch seine Farbe, Glanz und vorallem seine statische Aufladung hoben ihn zu etwas ganz Besonderem empor. So ein Stein konnte nur gegen Geister und Krankheit schützen. Umgehängte Ketten aus Bernsteinperlen galten im Frühmittelalter als Schutzmittel. Kirchliche Verbote bekämpften es als heidnischen Brauch, wobei sie den Bernstein selber in den Kirchen verräucherten. Noch im 19. Jahrhundert war der Brauch in Dänemark ein Bernsteinherz den Kindern als Schutz gegen Beschreiung umzuhängen.
Der bereits im Altertum ausgeübte Volksglaube, Kindern Bernsteinketten um den Hals zu hängen, lebt heute noch in ganz Deutschland weiter; ursprünglich ein Abwehrmittel, sollen sie jetzt das Zahnen erleichtern besonders als Vorbeugungs- und Heilmittel.
Wie oben geschrieben kann Bernstein statisch aufgeladen werden, jener geheimnisvollen Kraft, die man sich nicht erklären konnte. Alles was sich unsere Urahnen nicht erklären konnten war magisch. Da man die Entdeckung machte, dass der Bernstein, wenn er gerieben wird, Funken sprüht und die Macht hat, als Magnet (statisch aufgeladen) gewisse Gegenstände anzuziehen und festzuhalten, kamen unsere Urahnen auf den Gedanken, dass dieser Wunderstein irgendeine rätselhafte innere Kraft besitzen müsse.
Ein Halsband aus Bernstein schützte seinen Träger vor jeder Art von Hexerei und gegen alle schlechten Wünschen. Vorausgesetzt, dass das Geburtsdatum günstig war. Menschen, die unter dem Zeichen des Löwen geboren waren, sollten ständig Bernstein tragen, dagegen ist er denen unheilbringend, die im Zeichen des Stiers geboren wurden.
Bernstein in der Volksheilkunde
Neben seinen magischen Kräften, sprach man dem Bernstein auch ein grosses Heilvermögen zu und man glaubte einer Ansteckung vorzubeugen, indem man den Bernstein im Mund hielt. Deswegen waren Mundstücke aus Bernstein von Pfeifen sehr beliebt. Es wurden Bernsteinketten getragen, gegen Gesichtsrose und Kropf. Auch schützte diese Kette vor Taubheit und Zahnverlust. Spätere Ärzte lehnten die Heilkräfte des Bernsteins wieder ab, bis damals ein berühmter Arzt die Meinung vertrat, man solle Bernsteinketten ständig um den Hals tragen. Denn dadurch werde der Hals gekräftigt und vor Krankheiten geschützt. Seine Theorie war folgende:
Der Bernstein sei so stark mit Elektrizität geladen, dass die mit der Körperwärme in Kontakt gebrachten Bernsteinkugeln einen elektrischen Gürtel bilden und hierdurch eine Schutzkraft entstand.
Unsere Vorfahren verordneten den Bernstein als ein reizendes, krampfstillendes und nervenstärkendes Mittel bei Entzündungen der Schleimhäute und Rheuma. Auch gegen hysterische Zustände während der Menstruation und hypochondrischen Zuständen. Später (ca. Ende des 19. Jahrhunderts) diente er nur noch als äusserliches Mittel zum Räuchern. Über das Räuchern mit dem Bernstein habe ich weiter unten ausführlich geschrieben.
Bernstein an ein Schnürchen gehangen, bekamen Kinder um den Hals und Ohren gehangen, um gegen den sogenannten Steckfluss geschützt zu sein. Steckfluss ist ein alter Krankheitsname für Asthma.
Im damaligen Westfalen trugen manche Frauen und Mädchen Bernsteinketten als Schutz gegen allerlei Übel, meistens Halsbeschwerden. Und im Kanton Bern trug man Bernsteinhalsbänder gegen den Kropf.
Der Bernstein ist ein uraltes Amulett gegen das Zahnen der Kinder. Er soll vor Anfällen dabei schützen. Ein Bernsteinarmband oder eine solche Kette, um den Hals ist auch ein altes deutsches Sympathiemittel gegen Ohrenschmerzen.
Gelblicher Bernstein ist besonders wirkungsvoll, um Wechselfieber (Malaria) abzuwehren oder zu heilen. Diese Art von Bernstein heissen auch Butterscotch und sind sehr teuer. Ein Bernstein-Ring trugen Menschen gegen die Gliederschmerzen bei Gicht und Rheuma. Dafür wurde der Bernstein auch in Säckchen eingenäht, die dicht am Körper getragen wurden.
In Norddeutschland trug man gelben Bernstein (Butterscotch) um den Hals oder am Körper gegen Gelbsucht. Bernsteinketten galten auch als wirksam bei Kopfweh, Ohrenschmerzen, Augenentzündungen und Zahnschmerzen. Im Mittelalter wurde Bernstein innerlich eingenommen bei Herzzittern, Magenschmerzen und Wassersucht.
Mit Bernstein wurde viel geräuchert
Von den ostpreussischen Küsten kam Bernstein ins Land. Dieses fossile Baumharz diente auch zum Räuchern in den Kirchen. Man bediente sich dazu der beim Drechseln der Bernsteinstücke erhaltenen Abfälle. Ebenso wenn eine Kuh behext war, musste man mit dem Zahn eines Toten, mit Bernstein und Teufelsdreck unter ihr geräuchert werden.
In dem Buch Geschichte der Pest in Ostpreussen, die dort 1709-1711 wütete und das Land entvölkerte wird erzählt, dass die Gemächer und Kleidung von den verstorbenen Menschen mit Bernstein, Weihrauch oder Myrrhe und Wacholderbeeren durchräuchert werden müssen.
Ein alter Schriftsteller erzählt 1835: „Zu seiner Seite stand auf einem Tischchen ein Kohlenbecken damit er seine Pfeife anzünden und mit Bernstein räuchern konnte. Selbst der eigentümliche Kirchengeruch, des Wohnzimmers der von diesem Räuchern herrührte, ist mir noch gegenwärtig“.
Wenn ein kleines Kind gleich nach der Geburt ewig schreit, so muss es mit Wachholder oder Bernstein geräuchert werden. Wenn das Räuchern nicht hilft, denn manche Kinder schreien vier Wochen hindurch, so muss das Kind durch eine getragene Männerhose gezogen werden. Das wurde im Jahr 1896 geglaubt.
Wenn ein Bein unbeweglich oder schmerzt und steif ist, wurde es mit Bernstein beräuchert. Wenn eine Frau eine Kind geboren hatte, so musste sie sich räuchern. Zu diesem Zweck wurde ein Feuer von Bernstein angezündet und die Frau musste sich dann darüber stellen.
Heute kennen wir Bernstein meistens als Schmuck und zum Räuchern, wobei dieses Räucherharz sehr wenig in der heutigen Räucherkunde vorkommt. Es gerät in Vergessenheit, wobei die Pflanzenseele Millionen Jahre eingeschlossen war und wir durch das Räuchern dieser sehr mächtigen Pflanzenseele neues Leben einhauchen. Was schön am Verräuchern von Bernstein ist, dass er nicht so extrem raucht. Er verbrennt nicht so schnell, wie zum Beispiel Fichtenharz. Den Rauch könnte man als sehr erdig beschreiben, aber nicht so aufdringlich wie das gewöhnliche Harz.
Im allgemeinen kann man über den Bernstein als Räucherwerk schreiben, dass dieses fossile Harz allerlei Hexen, Geister und Unheil abwehrt. Diese Wirkung von Bernstein könnte man heute mit der negativen Energie vergleichen. So glaubten unsere Vorfahren übern den Bernstein. Er war kostbar und seine Pflanzenseele mächtig!
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