Das Bilsenkraut, so vermutet man, ist in Mitteleuropa durch das Umherziehen der Zigeuner angesiedelt, da sie das Bilsenkraut reichlich für ihre Zauberkünste nahmen. Das Bilsenkraut ist als Zauber- und Giftpflanze in die Geschichte eingegangen und gehört, wie die Alraune, zu den berühmtesten Hexenpflanzen. Diese Pflanze besitzt viele Namen, wie zum Beispiel: Schlafkraut, Zauberkraut, Teufelsauge, Hühnergift, Totenblumenkraut, Hexenkraut, wilder Tabak, Altsitzerkraut, Zahnwehkraut, etc. An diesen Volksnamen kann man sehen, für was das Bilsenkraut in früher Zeit verwendet wurde.
Der Rausch und das Bilsenkraut
Bilsenkraut wirkt in allen Teilen narkotisch. Ihre psychoaktiven Wirkstoffe wurden vor allem in rituellen Zeremonien in Gebrauch genommen, um in bewusstseinserweiternde, zukunftsschauende und rauschartige Zustände zu kommen. Es wurden auch die Samen gegessen, die Halluzinationen hervorrufen können und auch bei nicht genauer Dosierung tödlich sind. Diese halluzinogene Eigenschaft sollte prophetische Träume auslösen. Keltische Druiden inhalierten den Rauch der Bilsenkrautsamen, um Trancezustände zu erreichen. Durch zusätzlichen Wein der mit dem Bilsenkraut gemischt war, setzte man sich in einen Tiefschlaf um in die Anderswelt zu gelangen.
Das Bilsenkraut im Mittelalter
Im Mittelalter legte man die Samen des Bilsenkrauts auf die heissen Ofenplatten in Badehäusern. Wohl um eine enthemmende, euphorische und ausgelassene Stimmung bei den Gästen zu erzeugen. Die mittelalterlichen Badehäuser waren für ihre Orgien bekannt. Das Bilsenkraut spielte auch in den Hexenprozessen eine wichtige Rolle und Frauen die das Bilsenkraut besassen wurden als Hexe angeklagt. Das Kraut war auch Bestandteil der berühmten Hexensalben. Es wurden Frauen angeklagt, die Männer mit dem Bilsenkraut verhexten und auch Beschwörungen aussprachen. Bei Folter gab man diesen Frauen das Bilsenkraut, um ihre Leiden zu lindern. Auch zum Tode Verurteilte flösste man das Bilsenkraut ein, um ihre Qualen und Ängste zu mildern, aber auch nur wenn der Henker gnädig war.
Mit dem Bilsenkraut wurden die bekannten Giftmorde verübt. Daher der Volksname Altsitzerkraut. Man ermordete alte Menschen, die nur noch herumsassen, mit diesem Kraut. Gegen Mäusefrass wurde das Bilsenkraut an alle Türen gesteckt oder auch in die Ecken des Hauses oder Stalls.
Ein Rezept aus dem 16. Jahrhundert besagt, dass man das Bilsenkraut in einem Topf in der Erde vergraben und Öl dazu giessen soll. In der Christnacht, um Mitternacht wurde der Topf ausgegraben. Das Bilsenkraut-Öl wurde gegen die Gicht verwendet.
Eine Bilsenkrautwurzel oder die getrockneten Blüten samt Blätter soll anziehend auf das andere Geschlecht sein. Es wird in einem kleinen roten Leinenbeutel bei sich getragen.
Die alten Völker verehrten diese Pflanze
Bei den Kelten war das Bilsenkraut ihrem Sonnengott geweiht, genauso wie bei den Germanen. Sie vollzogen einen Regenzauber, indem ein junges Mädchen mit dem kleinen Finger der rechten Hand das Bilsenkraut herausreissen und sich um den rechten Fuss binden musste. Danach wurde das Mädchen entkleidet und zu einem Fluss geführt. Dort bespritzen Frauen unter Beschwörung das Mädchen mit Wasser und der Regenzauber wurde vollzogen. Germanen bestrichen auch ihre Wurfspiesse mit einem Extrakt aus dem Bilsenkraut, um ihr Gegenüber zu töten.
Alter Volksglauben über das Bilsenkraut
Um sich Wünsche zu erfüllen oder geplante Vorhaben schneller und besser zu erzielen, musste das Bilsenkraut bei Sonnenuntergang ausgegraben und mit Salz bestreut werden. Danach wurden die eigenen Ziele oder Wünsche als Beschwörung ausgesprochen. So konnte auch negative Energie auf Menschen übertragen werden.
Ein Bilsenkrautwurzel-Amulett gegen Rheuma musste unter folgenden Bedingungen und Beschwörung ausgegraben werden: Der Mond musste im Zeichen der Fische oder dem Wassermann stehen. Vor Sonnenuntergang wurde nur mit zwei Fingern der linken Hand und zwar der Daumen und der Ringfinger die Pflanze freigelegt, ohne die Wurzeln zu berühren. Dabei wurde folgende Beschwörung leise gesprochen:
Ich sage dir, heiliges Kraut, morgen rufe ich dich in das Haus …(Name des Erkrankten), damit du den Fluss der Füsse und Hände dieses Mannes/dieser Frau gebietest. Ich beschwöre dich bei den grossen Namen … (Gottheit) welcher der Gott ist, welcher die Erde festgebannt und das Meer stehen machte. Nimm in dich auf den Geist der Erde, deiner Mutter, und ihre Kraft und trockne den Fluss der Füsse und Hände dieses Mannes/dieser Frau!
Am folgenden Tag grub man die Wurzel mit einem Tierknochen aus und ergriff die Wurzel mit der Hand und sprach:
Ich beschwöre dich bei den heiligen Namen …(Gottheit)!
Danach hängt man die Wurzel dem Erkrankten um.
Räuchern mit dem Bilsenkraut
Geräuchert wurde viel mit dem Bilsenkraut, auch zu medizinischen Zwecken. Meist wurden Räucherungen mit den Samen oder Blätter des Bilsenkrauts angezündet. Der Rauch wirkt narkotisch und nebelt alle Sinne ein. Es sollen Sinnestäuschungen und Erregungszustände auftauchen. Man sagt dieser Räucherung eine hellsichtige und voraussagende Wirkung nach. Daher wird es auch Wahrsage-Räucherung genannt. Dieses Räucherwerk kann auch gegen Hexen (schlechte Menschen) verräuchert werden oder wenn ein Fluch auf das eigene Heim liegt. Dieses sehr starke Räucherwerk mit einem sehr mächtigen Pflanzengeist sollte und darf nicht von Anfängern vollzogen werden, weil der Rauch Vergiftungen hervorrufen kann, wenn es nicht richtig gemacht wird. Mit dem Entfachen der Räucherung helfen einem die Geister die Menschen zu offenbaren, die Schlechtes von einem wollen.
Hinweis: Dieses Kraut muss immer mit Vorsicht und Respekt angesehen werden, weil es uns den Tod bringen kann. Es darf NICHT innerlich verwendet werden. Auch die berühmte Hexensalbe ist tödlich. Wer damit Räuchern will, sollte es nur von Räucherkundigen vollziehen lassen, denn auch der Rauch kann giftig wirken! Wahlloses pflücken in der Natur ist untersagt, weil es auf der Vorwarnliste in der Roten Liste steht.
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