Die Zwölften im alten Mecklenburg

Die Rauhnächte in Mecklenburg
Rauhnächte in Mecklenburg | ©CG

 

Dieser Artikel ist speziell für meine Blogleser aus Mecklenburg. In einem alten Buch habe ich viele alte Rauhnachtsbräuche von hier gefunden. Hier in Mecklenburg hat man die Zwölften (auf plattdeutsch de Twölften) zu den Rauhnächten gesagt. Viele Regionen hatten ihre Eigennamen für diese Zeit. In Klammern habe ich die Orte hier in Mecklenburg mit hinzugeschrieben; soweit es dabeistand. Das Wort „Fru Gor“ kommt aus dem mecklenburgischen Plattdeutsch und heisst Frau Gode. Es ist Frau Holle, die ja bekanntlich in der Zeit der Rauhnächte, durch die Lüfte flog und vor der unsere Urgrosseltern grossen Respekt hatten. Für sie war dieser Glaube allgegenwärtig und es waren nicht nur ein paar Personen, die so gedacht und geglaubt haben. Viele dieser kleinen Rauhnachtsbräuche gingen weit bis ins 19. Jahrhundert hinein, bis es denn mehr zu einem „Spiel“ wurde, wie zum Beispiel heutzutage bei Halloween.

Sinnbildlich waren wohl damit die Winterstürme gemeint, die bestimmt in den früheren Häuser sehr viel Angst und Schrecken auslösten. Viele dieser Bräuche findet man auch in anderen Regionen, über die ich auch mal einen eigenen Artikel schreiben werde. Nun ist erstmal Mecklenburg dran, auch wenn ich ursprünglich nicht von hier komme, fühle ich mich sehr verbunden mit diesem schönen Landstrich, weil viele meiner Vorfahren von hier kommen, auch aus der Ecke wo ich hier jetzt lebe.

In den sogenannten Zwölften, wie in manchen Regionen die Rauhnächte genannt wurden, besonders auch in der Silvesternacht, hielt „Fru Gor'“ ihren Umzug. Sie ist ein Wesen, welches in der Luft herumschwirrte und auch verschiedene Gestalten annahm; den Menschen Glück und Schaden brachte.

In den Zwölften schweigt die ganze Natur, jede Arbeit ruht, kein Spinnrad dreht sich in den Zwölften, kein Flachs ist am Rocken, kein Jäger besucht die Wälder, der Hirte treibt nicht zur Tränke und der Viehstall bleibt in der ganzen Zeit unausgeräumt.

 

Mecklenburger Rauhnachtsgeschichten

In einer Silvesternacht brach einem Bauern auf der Rückfahrt die Deichsel des Wagens. Einige Splitter des Holzes fielen beim Brechen der Deichsel zur Erde und andere schneidete der Bauer ab, um die beiden Stücke der Deichsel wieder zusammenfügen zu können. Da erschien ihm Fru Gor in Gestalt einer alten Frau und sagte ihm, er solle die herabgefallenen Hölzer mit nach Hause nehmen. Der Bauer tats und am nächsten Morgen waren die Hölzer in reines Gold verwandelt.

Ein Tagelöhner ging zu Fuss mit einem großen Kessel auf dem Rücken. Die Nacht war bitterkalt und die Ursache der Kälte, meinte der gute Mann, sei nichts anderes, als die Bosheit der Fru Gor. Während er nun auf sie schimpfte, kam etwas durch die Luft dahergerauscht, und er fühlte zwei große Flügel unbarmherzig auf sich losschlagen. Nur dadurch, dass er sich in seiner Todesangst schnell unter den Kessel verkroch, rettete er sein Leben.

Auch pflegte Fru Gor, wie in Gross Laasch erzählt wurde, einen Stein in das Haus zu werfen, den man im ganzen folgenden Jahr nicht wieder herausbringen konnte, weil er in Gestalt eines schwarzen Hundes immer wieder hereinkam. Erst nach Ablauf des Jahres holte Fru Gor den Stein ab und brachte statt dessen Geld ins Haus.

In der Weihnachts- oder Neujahrsnacht fuhr ein alter Vipperower Bauer mit seinem Tagelöhner in die Röbelschen Eichen, um dort eine Eiche zu stehlen. Als er sich eine ausersehen hatte, schlug er dreimal dagegen. Dann ist er, nach Aussage des ihn begleitenden Tagelöhners, etwa fünf Minuten lang fortgegangen und zurückgekommen. Danach haben sie den Baum gefällt. So konnte niemand dann das ganze Jahr hindurch, keiner seiner Diebstähle nachkommen.

 

Rauhnächte in Mecklenburg
Rauhnächte in Mecklenburg | ©CG

 

Mecklenburgischer Besenzauber in den Rauhnächten

Gegen Fru Gor und die Hexen, welche in den Zwölften ihr Unwesen trieben, musste irgendein Gegenstand an einen Besen gebunden und dieser in der Küche aufgestellt werden. Auch musste er, damit das Wasser in den Brunnen nicht behext wurde, in den Brunnen hineingeschossen werden.

Besen, die in den Zwölften gebunden wurden, bringen Segen im Haus. Futter, das durch solche Besen gegossen wurde, heilte und sicherte die Tiere vor Krankheiten (Plate bei Schwerin).

In den Zwölften wurden Besen gebunden und die Reiser dazu stillschweigend zu Mitternacht geholt. Der sie holt, muss in derselben Spur zurückkehren. Tiere, mit solchen Besen bestrichen, bekommen keine Läuse. Kohl damit bestrichen keine Raupen (Brüz bei Passow).

Ein Besen in den Zwölften gebunden, so, dass an dem Besen in den zwölf Tagen gearbeitet wurde, er so erst mit dem zwölften Tage fertig wird, hat die Kraft, eine Hexe aufzuhalten oder anzuzeigen. Auch hat er die Kraft, blaue Milch wieder weiss und genießbar zu machen (Neukloster).

In den Zwölften binden die Leute Besen; auch Zwölftenbesen genannt. Das Wasser, welches durch diese Besen gegossen wird, wird den Tieren zum Trinken gegeben, wenn es behext wurde (Röbel).

In den Zwölften müssen Besen gebunden werden, die danach zu mancherlei Sympathien an Kühen benutzt werden können, zum Beispiel die Milch einer Kuh wird durch einen Zwölfterbesen gegossen oder es werden neun Knospen von dem Zwölfterbesen abgepflückt und der Kuh eingegeben oder die Kuh wird mit einem Zwölfterbesen dreimal stillschweigend längs über dem Rücken gestrichen, worauf der Besen hinter die Kuh gestellt wird.

Wenn man mit dem Besen, der in den Zwölften gebunden wurde, das Haus ausfegt, dann ist man vor den Hexen sicher.

Besen, in den Zwölften gekauft, bringen Glück (Parchim).

 

wilde jagd rauhnächte
Die wilde Jagd steht sinnbildlich für die Winterstürme | ©CG

 

Rauhnachtsbräuche um Haus und Hof

In den Zwölften mussten Lichter (Kerzen) gegossen werden. Das Brennen solcher Lichter soll einen sehr hellen Schein verbreiten und die Menschen vor bösen und schlimmen Erscheinungen und Ereignissen schützen, wie zum Beispiel Spukgespenster oder bei der Wilden Jagd (Plate bei Schwerin).

Sonst ist zu beobachten in den Zwölften, dass man keinen Mist ausbringt, auch darf dann keine Wäsche gemacht werden. In Mummendorf glaubte man in dieser Zeit, wer in den Zwölften spinnt, kommt mit dem Spinnrad auf den Mond und in der Silvesternacht darf kein Garn auf einem Spinnrad und Haspel stehen (Bresegard).

Frau Gode zieht in den Zwölften umher und besudelt die nicht abgesponnenen Spinnrocken. Die Knechte steckten in der Regel, wenn sie am zwölften Tage noch Flachs auf dem Acker finden, Pferdemist hinein (Sietow bei Röbel).

In den Zwölften geht Frau Gode umher und sieht nach, ob in den Häusern alles in Ordnung ist. Wo sie Wäsche über den Zaun hängen sieht, da stirbt jemand im Laufe des Jahres. Wo man versäumt, den Hunden, die im Haus gehalten werden, ein besonderes Brot für die Dauer der Zwölften zu backen, da kommt Missgeschick über das Haus oder ein Spuk, der bis zu den nächsten Zwölften anhält (Rostock).

Damit Fru Gor nicht die Futtervorräte und das Wasser im Brunnen behext, wurden bei Beginn der Zwölften alle Eisenstücke, wie alte Sensen, Heugabeln und Messer in Stroh und Heu gesteckt. In den Brunnen wird ein Feuerstahl gehängt und an den Festabenden mit einer Pistole hineingeschossen.

Während der Zwölften darf auch kein Mist aus den Ställen geräumt werden, sonst wird das Fundament porös und dann scharren sich Frau Godes Hunde hindurch und fügen den Tieren Schaden zu.

So müssen zu den Zwölften alle geliehenen Gegenstände zurückgegeben werden, wenn nicht Frau Gode ihre Strafen bringen soll in das Haus des Säumigen.

In den Zwölften dürfen Abends die Türen nicht offen stehen, sonst zieht Fru Gor durch das Haus und lässt irgendein Tier (Hund oder Katze) zurück, das stets schreit, nichts frisst und nicht fortzuschaffen ist.

In den Zwölften zieht die Frau Gode durch die Lüfte; haben die Leute dann Wäsche draussen hängen, so setzt sich Frau Gode darauf und wer das Zeug dann später benutzt, bekommt den Krebsschaden.

In den Zwölften muss man die Brunnen und Tierställe gut bewachen, denn sonst tun es die bösen Geister, indem sie das Wasser unrein und schädlich für Menschen und Tier machen. Das Bier und die Milch wird sauer und in den Ställen, wo die Tiere hinken werden. Darum schiessen vorsichtige Leute in der Christnacht und Altjahrsnacht ein Gewehr in den Brunnen ab. Durch diesen Brauch wird auch der Stall geschützt.

In den Zwölften müssen sämtliche Ackergeräte, wie Pflüge, Eggen und Wagen unter dem Dach gebracht werden.

In den Zwölften lässt man das Ackergerät nicht auf dem Feld stehen und am heiligen Weihnachtsabend vor dem Läuten wird dasselbe unters Dach gebracht. Die Backofengeräte, wie Brotschieber, etc. werden ebenfalls während der Zwölften ins Haus genommen, um nicht gestohlen zu werden. Solche gestohlenen Geräte werden in Pferdeställen vor dem Futtertrog vergraben, damit die Pferde trotz schlechten Futters sich gut halten und stets rund und schön wie frischgebackenes Brot sind (Gegend rund um Schwerin).

Mehrere Bauern im Dorf Tessin lassen in der Zeit vom 24. Dezember abends bis zum 6. Januar keine Pflüge, Eggen, Wagen und andere Ackergeräte draussen auf ihrem Feld oder bei ihrem Nachbarn, der es vielleicht geliehen hatte, sondern es wird auf den Hofplatz und später irgendwie unter Dach und Fach gebracht, dass es nicht unter freiem Himmel liegen bleibt. Wird ein Wagen einmal gebraucht, an einem der Rauhnächte, so wird er nach der Benutzung gleich wieder an den Ort gestellt, der ihm für diese Zeit eingeräumt worden ist.

In den Zwölften darf man kein Ackergerät verleihen, sonst kann der Entleiher damit Sympathie verursachen und die Fehler seiner Tiere auf das des Verleihers bringen (Hagenow).

In den Zwölften dürfen die Ställe nicht ausgedüngt werden. Sonst nimmt das Vieh Schaden (Schwerin und Röbel). Auch zieht sonst Frau Gode mit ihren Hunden durch den Stall und lässt einen Hund fallen und dieser ist dann nicht wieder zu entfernen (Neustadt) oder sonst kommt der Wolf (Grabow).

In Testorf bei Zarrentin erzählte man sich: In früheren Jahren herrschte hier in Mecklenburg in den Zwölften eine ungeheure Kälte, so dass die Wölfe in die Dörfer kamen und in die Tierställe drangen. In diejenigen Ställe, aus denen kurz vorher der Mist entfernt war, gelangten die Wölfe leichter, als in die mit Mist gefüllten Ställe; denn die Wölfe hatten sich durch das Fundament hindurch gefressen, so war es ihnen nicht möglich, durch den Mist zu kommen. Deshalb hielten es viele Leute nicht für gut, wenn man in den Zwölften diesen Mist aus den Ställen brachte.

In der Zeit der Zwölften durfte man das Vieh weder aus dem Stalle bringen, noch waschen.

In den Zwölften durfte auch der Schmutz nicht aus dem Haus gebracht werden. In den Zwölften wird nichts ausgeliehen und alles Ausgeliehene wird vor den Zwölften eingefordert (Hagenow).

In den Zwölften durften keine Backgeräte aus Holz vor dem Backofen liegen bleiben (Wredenhagen).

In den Zwölften durfte kein Holz gespalten werden. Das Geschirr darf in diesen Tagen nicht draussen liegen bleiben. Auch die Bestellung des Feldes pflegten viele Bauern an diesen Tagen einzustellen, auch wenn die Witterung es erlaubte (Gallin).

Wurden in den Zwölften die Stalltiere zur Tränke getrieben, so musste eine Axt vor die Stalltür gelegt werden und zwar so, dass die Schneide dem Stall zugewendet war.

Sollten die Stalltiere aus einer Wake (Loch im Eis) getränkt werden, so musste zuvor eine Feuerkohle in das Eisloch geworfen werden. Sollten sie aus einem Trog getränkt werden, so musste auch in diesen eine Feuerkohle geworfen und ein Hund darin entlang gezogen werden (Barkow und Woserin).

Am Anfang der Zwölften musste alles Flachs vom Spinnrocken herunter sein.

In den Zwölften durfte nicht gesponnen werden, denn sonst verunreinigen die Hunde der Fru Goden  den Flachs auf dem Spinnrocken (Neustadt).

Der Rocken musste leer sein, sonst baut man im neuen Jahr keinen Flachs oder man ist faul (Röbel).

Was in den Zwölften gesponnen wird, hilft gegen Hexen (Parchim).

Nicht weit von Sternberg, in Stieten, spann früher eine Frau in den Zwölften jeden Tag einige langen Fäden Flachs, die sie sorgfältig verwahrte. Sobald ihr in demselben Jahr ein Tier erkrankte, hängte sie einen von jenen Fäden dem Tier um den Hals, worauf sofortige Besserung eingetreten sein soll (Neukloster).

Garn, das schweigend in den Zwölften gesponnen wurde, half bei behexten Tieren, indem das Tier durch das Stück Garn gezogen wurde. Dasselbe Mittel wurde auch angewendet, wenn ein Kind viel schrie (Bellin und Nienhagen).

 

Rauhnachtsbräuche in Mecklenburg
Rauhnachtsbräuche in Mecklenburg | ©CG

 

Wehe der Tod kam in den Zwölften

Stirbt jemand in den Zwölften, so wird im folgenden Jahr die Erde „offen sein“; es werden viele sterben (Mummendorf).

In den Zwölften darf nicht gewaschen und keine Wäsche zum Trocknen aufgehängt werden, sonst stirbt in dem folgenden Jahren jemand aus der Familie. Man hütete sich sogar, nasse Scheuertücher draussen liegen zu lassen (Hagenow).

Wer solche Wäsche tragen würde, stirbt im Laufe des Jahres (Schwaan).

Wer in den Zwölften eine Leine mit Wäsche bekleidet, hat in demselben Jahr eine Leiche einzukleiden oder den Sarg zu bekleiden (Dambek, Hagenow, Parchim und Rogahn). Als Grund wird angegeben, dass Mutter Maria in diesen Tagen die ersten Nachttücher des Christkindleins gewaschen und getrocknet habe und man darum diese Tage als heilige Tage ansehen müsse (Grubenhagen).

Stirbt in einem Dorf jemand in den Zwölften, so werden in diesem Ort im selbigen Jahr noch zwölf Personen sterben (Neu Heinde)

So viele Leute in den Zwölften sterben, so zwölf Leute sterben im ganzen Jahr (Grevesmühlen).

Steht in den Zwölften das Tor des Kirchhofs offen, so sterben in dem Jahr viele Menschen (Neustadt).

 

Das Tor zum Kirchhof durfte in den Rauhnächten nicht offen stehen
Das Tor zum Kirchhof durfte in den Rauhnächten nicht offen stehen | ©CG

 

Rauhnachtsbräuche mit Tieren

Wer die Gebote der Zwölften übertritt, zieht sich Kröten und Frösche ins Haus oder Läuse in den Pelz.

Während der Zwölften darf man kein fremdes Tier an sich binden, denn es könnte in ihm ein böser Geist stecken .

Wenn man in den Rauhnächten eine Elster schiesst, sie zu Pulver verbrennt und dies einnimmt, so vergehe das kalte Fieber .

Früher wagte niemand während der Zwölften den Namen des Wolfes zu nennen, aus Furcht, dass er auf den Ruf erscheinen möge, wie das Sprichwort: Wenn man vom Wolf spricht, ist er nicht weit. Darum haben die Schäfer um diese Zeit lieber den Teufel genannt, als den Wolf, aus Furcht, dass er ihnen sonst unter die Schafe komme. Selbst die Bauern sprachen Menschen mit dem Vornamen Wolf, nicht mit ihren Vornamen an, sondern nannten den Menschen dann Untier. Das war im 17. Jahrhundert. Was für eine urige Zeit. In dieser Zeit hiess der Wolf hier in Mecklenburg „der Graue“.

In Qualzow bei Mirow darf man in den Zwölften viele Tiere nicht beim echten Namen nennen; statt Fuchs muss man zum Beispiel Langschwanz sagen. Wer das nicht macht, zahlte Strafe und später wurde das Strafgeld in der Dorfkneipe vertrunken.

 

Wetterorakel

Wie das Wetter in den Zwölften wird, so ist es im ganzen Jahr, so dass jeder der zwölf Tage das Wetter des entsprechenden Monats vorhergesagt.

Rauhreife in den Zwölften bedeuteten ein gutes Jahr und Tropfen am Zaun ein gutes Flachsjahr (Röbel).

Ist in den Zwölften viel Nebel, so gibts ein nasses Jahr. Ist es dagegen hell und klar, ein trockenes (Tessin).

Ein Kuhhirte aus Eldena pflegte nach dem in den Zwölften herrschenden Wetter einen Witterungskalender für das kommende Jahr zu machen.


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